60 Jahre Internationales Bodensee-Treffen

Zum Internationalen Bodensee-Treffen der Lehrkräfte an Höheren Schulen kamen seit seiner Gründung 1960 im Langenargener Montfort-Schloss Lehrkräfte aus Baden-Württemberg, Bayern, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz alljährlich (bis 2019) im September an wechselnden am Bodensee oder in der Nähe des Sees gelegenen Orten zusammen.

Eingeladen hatten der PhV Baden-Württemberg bisher zwanzigmal, der Bayerische Philologenverband sowie der Mittelschullehrerinnen- und Mittelschullehrer-Verband St. Gallen (ein kantonaler Verband des Vereins Schweizerischer Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer) je vierzehnmal, die Österreichische Professoren-Union achtmal und der Gymnasiallehrerverein des Fürstentums Liechtenstein viermal.

Dem ersten Bodenseetreffen in Langenargen folgten weitere in Lindau, Bregenz, Überlingen, St. Gallen, Vaduz. Die bisher häufigsten Veranstaltungsorte waren Lindau (elfmal), Konstanz (achtmal), Bregenz (sechsmal), St. Gallen (viermal), Überlingen (viermal).

In den Anfangsjahren war das Bodenseetreffen eine eintägige Veranstaltung, in deren Mittelpunkt ein häufig von Auftritten eines Schulorchesters oder musizierender Schüler sowie Schulbuchausstellungen umrahmter Festvortrag an einem Sonntagvormittag stand, und die mit einem gemeinsamen Mittagessen endete.

Seit der Gründung des PhV BW erfuhr das Bodenseetreffen in der Folgezeit formale und  strukturelle Veränderungen. Durch die Einbeziehung des Samstagnachmittags wurde es zum einen möglich, Arbeitskreise einzurichten, in denen der diskursiven Auseinandersetzung und der gemeinschaftlichen Arbeit an einem Thema stärker Geltung verschafft wurde, wobei man sich auch mit Lehrkräften aus einem anderen ( Bundes-)Land über die jeweilige Schulpolitik austauschen konnte.

Zum anderen wurde auch das Angebot, sich an einem kulturellen Programm zu beteiligen, gern genutzt. So fanden neben Stadtführungen u.a. Besichtigungen der alten Kirchen auf der Insel Reichenau, Führungen über die Insel Mainau oder über die Bregenzer Seebühne, durch die Stiftskirche und Stiftsbibliothek St. Gallen, eine Exkursion zum Schloss Arenenberg, ein Besuch der Konstanzer Universität oder des Schulmuseums Friedrichshafen statt.

Am Samstagabend lud dann der ausrichtende Verband die Teilnehmer zu einem festlichen Abendessen ein, das eine weitere Gelegenheit bot, länderübergreifend Kontakte zu knüpfen oder zu vertiefen.

In den 80er und 90er Jahren war Horst Scheffczyk vom Ellenrieder-Gymnasium bis zu seiner Pensionierung 2001 Geschäftsführer des Internationalen Bodenseetreffens. In diesen 22 Jahren ist es ihm mit großem Einsatz gelungen, hochkarätige Referenten zu gewinnen, die Kontakte zu den ausländischen Lehrerverbänden zu intensivieren und für eine gute Organisation der Treffen mit ansprechenden Rahmenprogrammen zu sorgen.

Nahmen anfänglich fast ausschließlich Mitglieder der Lehrerverbände an den Bodenseetreffen teil, so wurden auch seit Mitte der 70er Jahre gymnasiale Lehrkräfte aus den jeweils angrenzenden Gebieten zu den Vorträgen eingeladen. Auf teilweise bis zu hundert Personen stieg dadurch die Zahl der Teilnehmenden.

Die Themen der Bodenseetreffen orientierten sich überwiegend an aktuellen bildungspolitischen Fragen, wobei der Rolle des Gymnasiums und seiner Lehrkräfte ein besonderer Stellenwert zukam. Als Festredner wurden häufig Universitätsprofessoren aus den jeweils veranstaltenden Ländern eingeladen.

So sprach Dr. Klaus Westphalen vom Münchner Staatsinstitut für Schulpädagogik 1975 über „Curriculumforschung und neugestaltete Oberstufe“, nachdem sich ein Jahr zuvor Prof. Dr. Josef Hitpass in seinem Vortrag mit dem „Hochschulzugang zwischen Numerus clausus und Massenbildung“ befasst hatte. 10 Jahre später setzte er sich erneut mit der neuen Oberstufe  und dem „Problem der Studierfähigkeit ihrer Absolventen“ auseinander.                                                                                                      

Beim 20. Bodenseetreffen 1979 lautete der Festvortrag von Kultusminister Prof. Dr. Roman Herzog im Meersburger Schloss „Aufgaben des Gymnasiums im gegliederten Schulwesen“.  Zur gymnasialen Bildung gehöre nach seiner Überzeugung die Ausformung des abstrakten Denkvermögens, ohne das die komplizierten Zusammenhänge unserer Welt nicht durchschaut werden könnten, die Lösung ihrer Probleme unmöglich sei.                                                                                                                                        

Der bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultur, Hans Zehetmair, widmete sich beim 30. Bodenseetreffen 1989 dem Thema „Sprachvermittlung als Bildungsauftrag des Gymnasiums“.  Unter den Teilnehmern des Treffens waren auch DPhV-Vorsitzender Bernhard Fluck und Martin Fischer, Vorsitzender der Bundesdirektorenvereinigung.

Über „Die Zukunft gymnasialer Bildung“ sprach 1992 Kultusministerin Dr. Marianne Schultz-Hector. Sie gab zu bedenken: „Je mehr das Gymnasium zur Schule der Mehrheit aller Schüler wird, umso gefährdeter sind Profil und Auftrag als in der Regel studienvorbereitende Schule.“ Wenn der Elternwille immer stärker als alleiniges Kriterium bei der Schullaufbahnentscheidung durchschlage, „dann müsse das Gymnasium selbst für die Auswahl der für es geeigneten Schüler sorgen.“

Der Vorsitzende des Deutschen dem Lehrerverbandes, Josef Kraus, hielt 2004 einen Vortrag zum Thema  „Schule zwischen Nützlichkeitsdenken und kulturellem Auftrag“.

Der Erziehungsauftrag der Schule und die Rolle der Lehrkräfte waren häufig Gegenstand der Festvorträge. „Macht und Ohnmacht der Erzieher“ lautete 1962 das Thema. Über „Wesentliches im Lehrerverhalten“ sprach 1978 Prof. Dr. Rolf Dubs von der Universität St. Gallen. Ministerialrat Walter Mäck vom Kultusministerium referierte 1980 über „Der Lehrer als Erzieher und Beamter“. 2012 analysierte Prof. Dr. Manfred Prenzel von der TUM School of Education „Was man aus Vergleichsstudien lernen und wie man sie verbessern kann“. 2015 befassten sich Vorträge und Referate mit der Frage „Was ist guter Unterricht?“ Beim 60. Bodenseetreffen in St. Gallen sprach Prof. Dr. Peter Strasser von der Universität Graz über „Non vitae sed scholae discimus“.

Im Jahr 2020 musste das Bodenseetreffen coronabedingt erstmalig ausfallen. Das 61. war kein Bodenseetreffen im eigentlichen Sinn. Da die in Singen vorgesehenen Tagungsräumlichkeiten kurzfristig in ein Impfzentrum umgewandelt worden waren, wurde Stuttgart als Ersatzort gewählt. Im September 2023 soll das nächste Internationale Bodenseetreffen mit dem Thema „Qualität in der Lehrerbildung“ stattfinden.

Ralph Grossmann
Teilnehmer an ca. 30  Bodenseetreffen